
Zwischen Malerei und Kunstvermittlung
Parallel zu einer Großhandelslehre wuchs bei dem jungen Axel Thieme der Wunsch „etwas mit Kunst zu machen“. Nach dem Studium an der Johann Wolfgang von Goethe-Universität in Frankfurt am Main und durch das Studium an der Städel-Abendschule waren die Weichen gestellt: Thieme wollte freier Maler werden! Plötzlich querte die Idee einer Galeriegründung seinen Lebensweg als Künstler: Zusammen mit den Malerkollegen Gerd Winter und Franz Schämer eröffnete er um 1980 die Produzentengalerie „Parterre“, die er, umbenannt in „Galerie Thieme“, mit wechselnden stillen Teilhabern, rund 20 Jahre führte. Fortan führte Axel Thieme ein Doppelleben als Maler-Galerist, ersteres mit wechselnden Pseudonymen.
Seine Malerei ist differenziert, ein farbenfrohes Augenfest, mit feinem Pinsel gemalt, ebenso naturalistisch wie surreal: Eine Welt unter Wasser, Mikro-Organismen, mit einer Vielzahl an Formen und Farbklängen, zwischen Korallenriff und Algengewächs. Die Welt am Meeresboden, submarine Gärten, schillernd und leuchtend, faszinierten ihn: Polypen, schwimmende Medusen und Blumentiere bilden symbiotische Kolonien eines fernen Tiefsee-Lebens, transluzid und fluoreszierend. Und dennoch malt Axel Thieme keine Unterwasserwelt. Er entführt seine Betrachter in fantastisch-surreale Welten, weit entfernt von den Realitäten des Menschlichen!
Die Ausstellung der Galerie Netuschil zeigt Ausschnitte aus beiden Lebensgefilden Axel Thiemes, aus denen des Ateliers und denen des sehr realen Galerieraums. Rund 20 Jahren hat Thieme die Darmstädter Kunstszene und, vor allem mit Kunst-Messenbeteiligungen, weit darüber hinaus, mit seiner eigenen Malerei aber ebenso mit seinen Galerieausstellungen mitgestaltet und bereichert! Künstler wie Ottmar Hörl und Ralph Fleck, Sigrid Nienstedt und Frank Schylla, Elke Emmy Laubner, Gerd Winter, Franz Schämer und Detlef Kraft, Rainer Lind, Thomas Duttenhoefer und Matthias Will, Ben Willikens und Alice Stepanek, Mark Fairnington, Kerstin Lichtblau und Norbert Wolf, gehörten zu seinem Galerieprogramm.
Versunken in seiner eigenen feingliedrig-filigranen Bilderwelt, war er zuletzt sehr fern von Kunstmarkt Galeriegeschehen. Am 1. Oktober 2021 starb Axel Thieme nach langer Krankheit in Darmstadt.
Axel Thieme wurde 1950 in Merseburg an der Saale geboren und übersiedelte 1959 nach Darmstadt. Er probierte sich im kaufmännischen Bereich, 1968/69 absolvierte den Wehrdienst und danach eine Lehre zum Bankkaufmann. Über den zweiten Bildungsweg erlangte er 1979 die Hochschulreife. Von da an begann er zu malen und zu zeichnen. 1979 belegte er Akt- und Porträt-Zeichenkurse an der Städel-Abendschule (Frankfurt/M) bei Karl Bohrmann und Peter Engel und begann im selben Jahr das Studium der Kunstgeschichte an der Johann Wolfgang von Goethe-Universität (Frankfurt/M).
1980 gründete er die Produzentengalerie „parterre“, agierte fortan als Galerist und vertrat zahlreiche darmstädter und deutsche, vor allem aber auch britische Künstler und Künstlerinnen. Unter den Pseudonymen „Timothy O’Reilly“ und „A. F. T. Achenbach“ fing er wieder an zu malen. Parallel folgten weitere Galerieprojekte, wie die Saisongalerie mit Jochen Sander in Kampen auf Sylt und dem „alpha zulu“, eine Ladengalerie in der Grafenstraße in Darmstadt. Die letzten Jahre widmete er sich ausschließlich, unter seinem eigenen Namen, der Malerei.
Die Ausstellung will auch ein Stück Kunst- und Kulturgeschichte Darmstadts der 1990er und 2000er Jahre aufblättern und an den Maler-Galeristen Axel Thieme erinnern. Der Nachlass, so ist es der eigene Wunsch des Künstlers, soll nach der Galerieausstellung in die Bestände des Kunst Archiv Darmstadt e.V. eingehen.
Die neue Ausstellung der Galerie Netuschil zu Ehren Axel Thiemes, wird am Sonntag, 10. Juli 2022 um 11 Uhr eröffnet und ist seinen beiden Existenzen, der künstlerischen und der Kunst-vermittelnden, gewidmet. Bis Samstag, 27. August 2022 ist die Ausstellung zu den Öffnungszeiten und darüber hinaus nach Terminvereinbarung, zu sehen und wird von mehreren Parallelveranstaltungen begleitet.

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