Belgien – mon amour

Eine kulinarische Liebeserklärung an das Land der Fritten

Ich bin in Aachen geboren. In meinem Pass steht „Deutsch“, mit Herz, Seele und auch Verstand bin ich Europäer. Meine Nationalmannschaft ist die Elftal, weil Marco van Basten, Ruud Gullit und ja auch Frank Rijkaard Ende der 1980er den Fußball spektakulär neu erfanden. Und zum Essen fahre ich am liebsten nach Belgien. Eine kulinarische Liebeserklärung an das Land der Fritten.

Jeder, der an einer Grenze zu einem anderen Land aufgewachsen ist, kennt diese Orte, die nicht im Geburtsland liegen, aber viel mehr als alles andere Heimat sind: Meine ersten Köttbullar aß ich bei Ikea in Heerlen in den Niederlanden, der Besuch des Radklassikers Lüttich-Bastogne-Lüttich in Belgien stand Jahr für Jahr auf dem Programm der Familienausflüge und zum Fußball pilgerten wir – na klar auf den Bökelberg – aber eben auch ins viel näher gelegene Roda-Stadion im ebenfalls niederländischen Kerkrade. Und dann gibt es die Orte, von denen man gar nicht so genau weiß in welchem Land sie liegen, erst recht, wenn sich gleich drei Nationen eine überschaubar große Region teilen. Ein solcher Ort ist für mich bis heute das „Manneken Frit“. Klar der Name verrät es, der Imbiss liegt in Belgien, aber nur einen Wurf mit einem ganz kleinen Stein von der Grenze nach Aachen entfernt. Und er verbindet genau das, was Kulinarik in Belgien heute ausmacht: Pommes und Sterneküche, einfache Gerichte und verrückte Kombinationen und selbst in den einfacheren Restaurants einen Qualitätsanspruch, der mittlerweile in Europa seinesgleichen sucht. 25 Biere stehen auf der Karte des Lokals, das in Deutschland unter die Kategorie „Pommesbude“ fiele. Pommes gibt es, wie es sich in ihrem Mutterland gehört, aus frisch geschnittenen Kartoffeln und natürlich zwei Mal frittiert. Ein absoluter Genuss – heiß, knusprig, kartoffelig. Da braucht man eigentlich gar keine Currywurst oder kein Rinderfilet – beides ist aber auch aus tollem Fleisch von einer benachbarten Metzgerei und handwerklich exzellent zubereitet. Und dann gibt es noch die herrlichen Verrücktheiten: Fritten mit Scampis, mit Trüffeln, mit Parmesan und scharfer Currywurst oder mit Pastetchen und Ragout Fin. Was für ein Seelenessen!

Einen Ort weiter, im Pilgerstädtchen Moresnet liegt die „Auberge de Moresnet“, ein Restaurant mit klassisch belgisch-französischer Küche, entfernt von Sterneambitionen aber wie viele gehobene Gasthäuser im Land auf Sterneniveau kochend. Froschschenkel in Knoblauch und Gänsestopfleber fehlen natürlich genau so wenig auf der Karte wie frische Austern. Es wird selbstredend regional eingekauft und saisonal gekocht, weshalb der Autor an diesem Frühherbsttag von der Entenbrust mit Pfirsichen, Balsamico, Thymian und Knoblauch schier aus den Socken gehauen wird. Welche Aromenvielfalt, welch´ tolle Lebensmittel, was für eine perfekte Zubereitung. Das verführt wie selten zum Dessert und hier entdecke ich den vielbeschworenen Geschmack meiner Kindheit wieder: Pana Cotta vom Blauschimmel mit Parmaschinkenchips, Guacamole und: Sirop de Liège, Lütticher Sirup, in meinem rheinischen Zuhause „Sehm“ genannt, ein herrlich fruchtig-würziger Sirup aus Birnen, Datteln und allerlei Gewürzen. So sensationell gut schmeckt meine Heimat, so schmeckt Ostbelgien.

21 Sternerestaurants gibt es in dem kleinen Belgien zurzeit, alle mit einer kuriosen Ausnahme, die es in keinem anderen Land der Welt gibt: Denn sämtliche Häuser haben zwei Michelin-Sterne, es gibt keines mit nur einem, aber eben auch (noch) keines mit dreien. Ersteres mag daran liegen, dass man überall im Land Gasthäuser von der Qualität der „Auberge de Moresnet“ findet, die alle mit einem Stern auszustatten den Rahmen sprengen könnte. Letzteres ist vielleicht erklärbar, weil der französische Restaurantführer immer noch ein wenig die Nase über das kleine Nachbarland rümpft. Denn bei meinem Besuch im Zwei-Sterner „Bon-Bon“ in der Hauptstadt Brüssel, dem wahrscheinlich renommiertesten Restaurant des ganzen Landes, fehlt zumindest mir nichts zum dritten Stern: Es beginnt selbstironischer Weise mit einer Käsekrokette, gebratene Wachtelbrust, sehr schmackhaft mit einem Saté-Dip und Sesam, Fenchel-Gazpacho, Thunfisch, Kabeljau und Hummer in Perfektion und schließlich ein sensationeller Hirschrücken als Hauptspeise – mit einer Sauce aus – kaum zu glauben Sirop de Liège. „Eine Reise durch Belgien“ nennt sich das Menu, das mit 245 Euro einen selbst für Restaurants dieser Güte zugegeben stolzen Preis trägt, aber eine „Einmal-im-Leben“-Erfahrung ist und nicht nur, wenn man Belgien liebt, jeden Euro wert.

Michael Ortmanns wurde in Aachen, der westlichsten Stadt Deutschlands am Dreiländereck zwischen Deutschland, den Niederlanden und Belgien geboren. Er selbst nennt seine Heimat „Kauderwelschland“, weil es sprachlich munter zwischen Flämisch, Französisch und dem Rheinischen Singsang hin und her geht. Kulinarisch hat sich der diplomierte Sommelier, Weinhändler und passionierte Hobbykoch in sein Drittel-Heimatland Belgien verliebt. In dieser Ausgabe der Genussnotizen zeigt er vom Edelimbiss www.mannekenfrit.be über die aromenreiche Gasthausküche in der www.aubergedemoresnet.be bis zum sterneprämierten Weltklasserestaurant www.restaurant-bon-bon.be die ganze Breite der belgischen Küche.

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