CORONA CHRONIKEN #20

Einer gegen Palaver; er schweigt, bis er was zu sagen hat: Fabian Lau.

86

Auch in diesem Jahr wird das Virus grösseren Einfluss auf uns nehmen als sämtliche Sterne sämtlicher Galaxien. Ich fürchte, die heute Geborenen werden später sagen: Ich bin geboren im Sternzeichen Omikron; Aszendent Lauterbach.

 

87

Verzeihen Sie, aber mal ehrlich: Die meisten guten Vorsätze für das Jahr sind schon wieder vergessen, oder? Das mit dem Rauchen haben wir gerade mal zwei oder drei Tage durchgehalten, und dann sollte es doch nur noch ein letztes Mal die eine sein, nur um zu sehen, wie ekelhaft … Und das war es dann leider wieder. Den Alkohol haben wir wenigstens erfolgreich reduziert; ohne Mühe, aber, sind wir gleich noch einmal ehrlich zu uns: Mit 17 Promille Restalkohol nach den Feiertagen wieder im Job zu landen, wäre definitiv nicht drin gewesen. Warum aber die Notwendigkeit nicht als Tugend verkaufen? Das kann man sich abschauen von Karstadt und Konsorten: Erst mal kurz die Preise anziehen, bevor dann großflächig mit „Preisstürzen“ und „SALE“ geprahlt wird und damit doch wieder die üblichen Margen eingefahren werden.

Worin wir noch nicht so geübt sind: Vorsätze fassen, die nicht nur uns selbst betreffen, nicht nur den eigenen Interessen gerecht werden, sondern auch denen der anderen. Dabei ist es das, was wir jetzt brauchen, wie sonst nicht zuvor. Notabene: Wenn ich mit einem gefälschten Führerschein gegen die Wand fahre, ist das schade, aber mein Problem. Fahre ich jemand anders um aber, ist das wie mit den gefälschten Impfausweisen: Nicht mein  Problem, sondern fahrlässige Körperverletzung. Schlimmstenfalls mit Todesfolge.

Also: Vorsatz mit fünf Buchstaben und in 3,5 Sekunden einzuhalten? Pieks.

 

88

Mitmenschen mit Vorerkrankungen oder anderen Einschränkungen baten noch zum Abschluss des alten Jahres gesetzlichen Schutz im Falle einer Triage. Dazu Folgendes: Nehmen wir an, ich habe 40 Jahre lang täglich eine Packung auf Lunge genossen, und die hat jetzt gerechtfertigterweise mit eine Fibrose reagiert (unbekannte Begriffe bitte grad selbst googlen, hier ist nur Platz für detaillierte Erklärungen, wenn sie notwendig sind); nehmen wir weiter an, ich infiziere mich zudem mit dem Coronavirus und werde einer Intensivstation anempfohlen, wo, so nehmen wir weiter an, die Situation nun nicht mehr „angespannt“, sondern tatsächlich so ist: Es ist nur noch eine Maschine vorhanden. Nehmen wir an, neben mir in der Warteschleife liegt eine Frau, 40 Jahre alt, die sich schlicht ein bisschen mehr geschont hat und ihren Körper: Bissl gesund ernährt, bissl gejoggt, einfach gar nicht geraucht und öfter auch mal ausgeschlafen. Triage heisst: Nicht das Alter ist relevant, nicht ihr Geschlecht und nicht ihr Lebensstil, auch gar nicht, falls sie zeitlebens vielleicht nur mit lackierten Fingernägeln in Modemagazinen geblättert haben sollte, im Gegensatz zu mir, der ich mir zur Not die Machine sogar selbst einstellen könnte: Dennoch wird sie den Platz an der frischen Luft gewinnen, weil bei mir und meiner Lunge die Chancen schlechter stehen. So sieht die bittere Wahrheit aus; und die heisst „Triage“. Wer formuliert nun ein Gesetz, dass mich schützt?

 

89

Der Exodus der Pflegekräfte – ein paar Tausend haben seit Beginn der Pandemie hingeschmissen. Und wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, sich jetzt fragen, wie man das gemütlich hinbekommt, so einen Ausstieg, hier mein Tipp: Angeln Sie sich einen Oberarzt oder eine Oberärztin. Ganz wichtig: Keine Chefärztin, keinen Chefarzt. Die sind zu oft zu Hause. Die Oberärzte müssen noch richtig ran, gerade jetzt, und so hat man Ruhe und kann gemütlich neue Cocktailrezepte googeln oder mit frisch lackierten Fingern in Modemagazinen blättern. Und unbedingt darauf achten, dass die Liebsten auch noch Nachtdienste machen; dann kommen so bald auch keine Kinderchen ins Spiel, die doch nur in den Pool pinkeln und das Tablet beschlagnahmen fürs Homeschooling. Ich wünsche allen Ex-Kolleginnen und -kollegen eine gute Zeit.

 

Fabian Lau ist Musiker, freier Autor und Krankenpfleger und hat schon viele Oberärztinnen kennen gelernt. Und Oberärzte. War aber nix für ihn dabei.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*