Darmstädter Sprachkultur – eine Glosse

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Heute: Ei, Oliver

Emotional aufgewühlt und enttäuscht vom Auftreten seiner Vordermänner forderte Torwart-Titan Oliver Kahn nach der Niederlage gegen Schalke 04 im TV-Interview: „Eier, wir brauchen Eier.“ Gut 18 Jahre ist dieser Ausspruch alt, der in die Fußball-Annalen einging. Man muss Kahn zugutehalten, dass er in seiner gut zwei Jahrzehnte langen Profikarriere kein einziges Pflichtspiel gegen den SV Darmstadt 98 bestritten hat. Ob er jemals privat in Darmstadt war, ist nicht überliefert. Wieso dieser Bogen? Weil er in Darmstadt fast an jeder Ecke ein „Ei“ gefunden hätte – und das nicht nur zur Osterzeit.

„Ei“ signalisiert bei einer Begrüßung im Hessischen Freude oder Überraschung, das Gegenüber zu sehen. Dann wird es gerne im Dreiklang verwendet mit „Ei! Gude! Wie?“ (standarddeutsche Langform in etwa: Sieh an. Guten Tag. Wie geht’s?).  Aber auch sonst werden hessische Sätze sehr gerne mit dem „Ei“ ei(n)geleitet, etwa bei „Ei, saache mal … ?“ oder „Ei horschemal“ oder „Ei, haste des noch net gehört?“ Mit dem Hühner-, Vogel- oder Osterei hat dieses hessische Ei laut Sprachwissenschaft nicht zu tun.  Der sogenannte Partikel, ein Füllwort ohne konkrete Bedeutung, wird im mündlichen Sprachgebrauch verwendet und spricht die Emotionen an.

Und weil es sich hier um eine Sprachkolumne handelt, müssen wir jetzt doch noch eine Sache klarstellen. Der korrekte Plural des hessischen Ei-Partikels ist „die Eis“. Eier hätte Oliver Kahn in Darmstadt also in erster Linie im Supermarkt gefunden – oder vielleicht auch anderswo. Das hatte er womöglich im Sinn, als er an seinen Ausspruch „Eier, wir brauchen Eier“ für den Fernsehreporter noch anhängte: „Sie wissen, was das heißt!“

Stephan Köhnlein ist Wahl-Heiner seit 1998 und eigentlich ganz gut integriert. Nur die Sprache der Einheimischen versetzt ihn bis heute immer wieder aufs Neue ins Wundern, Staunen und Schmunzeln. Seine Fundstücke präsentiert er in dieser Kolumne – natürlich immer mit einem Augenzwinkern.

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