
Heute: Niebergall und die neue Rechtschreibung
Erinnert sich eigentlich noch jemand an die Rechtschreibreform? Die liegt immerhin schon 26 Jahre zurück. Das erklärte Hauptziel war, die deutsche Rechtschreibung zu vereinfachen. An vielen Punkten gelang das, an einigen wurde nachgebessert, manche sind bis heute umstritten. In den Schulen wird heute die reformierte Rechtschreibung gelehrt. Die meisten Verlage wenden jedoch eine daran orientierte Hausorthografien an. Und wie weit her es grundsätzlich mit der Beherrschung der wichtigsten Regeln in der Gesamtbevölkerung ist, darüber kann man getrost streiten.
Der Darmstädter Dichter Ernst Elias Niebergall kannte diese Probleme nicht. Sein Schauspiel „Datterich“ hat er in südhessischem Dialekt geschrieben. Der Datterich gilt als DIE Darmstädter Posse und wird noch heute häufig aufgeführt. Niebergall selbst erlebte die Uraufführung seines Stückes jedoch nicht mehr. Bereits mit 28 Jahren starb er an einer Lungenentzündung.
Wer heute durch den Stadtwald hinter dem Böllenfalltor spazieren geht, stößt dort auf die Niebergalleiche. Nach der alten Rechtschreibung hätte man dort auch auf die sterblichen Überreste des Dichters stoßen können; denn in dieser Kombination waren Dreifachkonsonanten verboten: Begann der folgende Wortbestandteil mit nur einem Konsonanten (L-eiche), der dem vorangehenden Doppelkonsonanten (Nieberga-LL) glich, wurde in der Zusammensetzung nämlich einer der drei gleichen Konsonanten weggelassen. Die neue Rechtschreibung gestattete in diesem Fall Dreifachkonsonanten und hat so zumindest im Wald in Darmstadt Klarheit geschaffen: Es handelt sich eindeutig um einen Baum.
Stephan Köhnlein ist Wahl-Heiner seit 1998 und eigentlich ganz gut integriert. Nur die Sprache der Einheimischen versetzt ihn bis heute immer wieder aufs Neue ins Wundern, Staunen und Schmunzeln. Seine Fundstücke präsentiert er in dieser Kolumne – natürlich immer mit einem Augenzwinkern
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