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Es spricht grundsätzlich nichts dagegen, Touristen bis in die Privatinsolvenz hinein abzuschröpfen; wenn sie partout unsere schöne Mathildenhöhe belatschen wollen, sollen sie halt berappen. Irgendwoher muss sich schliesslich der Stadtsäckel füllen. Nur bitte ich die Entscheidungsträgerinnen – und damit sind auch die Entscheidungsträger gemeint – zu bedenken: Das Viertel zwischen Alicehospital und E-Stift ist die einzig arbeitsplatznahe Parkmöglichkeit für Hunderte von Pflegekräften. Ich kann natürlich in Zukunft eine Dreiviertelstunde früher aufstehen; die werde ich geschätzt brauchen, um es zu Fuß von irgendeiner Bessunger Seitengasse ins Alice zu schaffen; dann hätte ich schon mal frische Luft und etwas Bewegung, bevor die Rennerei auf Station wieder losgeht. Nur hätte ich dann gerne auch wieder Applaus auf meinem Heldenmarsch; schliesslich helfe ich indirekt, den Stadthaushalt zu stabilisieren. Also abgemacht, Herr Partsch und Konsortinnen? Sagen wir, morgens kurz nach Fünf, Heidelberger, Ecke Bessunger. Ich danke jetzt schon, und verbeuge mich innerlich.
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Aussengastro öffnet, Schwimmbäder öffnen, Theater öffnen, und unserem Gesundheitsminister fällt gerade noch rechtzeitig ein, dass er auch noch was anderes zu tun hat, als Geld zu verdienen, indem er unsere Steuergelder ausgibt; ein Gesundheitsminister muss doch auch mahnen. Also mahnt Spahn los: Man möge jetzt nicht übermütig werden. Bestimmt musste er erst im Fremdwörterbuch nachschlagen, was das eigentlich heisst: Übermütig. Oder er hat dieses Wort tatsächlich von seinem Herrn Papa gelernt, vielleicht als er sich mit Fünfzehn einmal ganz frech Sonntags ohne Krawatte an den Frühstückstisch setzen wollte. Ich mag ihn; er ist sicherlich grundlegend ein guter Mensch. Womit der Beweis steht: Aus einem guten Menschen wird nicht zwingend ein guter Politiker.
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Da muss so einem armen Fussballer ganz jung erst das Herz stehen bleiben, damit die „Fussballwelt“ bemerkt, „dass es Wichtigeres im Leben gibt als die 90 Minuten“, wie meine Lieblingstageszeitung titelt, die meine Lieblingstageszeitung ist, weil sie die einzige Tageszeitung hier ist. Warum in der Schlagzeile der Fussball allerdings in Klammern gesetzt ist, erschliesst sich mir nicht. Nein, der große Rest der Welt wusste das bestimmt schon länger, und in den letzten 15 Monaten auch sicher noch eindrücklicher, was wichtiger ist, als mit einem Ball auf ein aufgespanntes Netz zu schiessen: Fast alles, würde ich mal behaupten; und damit bin ich sicher nicht ganz allein. 15 Monate, in denen im Profifussball Corona so gut wie nicht stattgefunden hat, und er also in aller Dämlichkeit weiter sein wahres Gesicht aus Geldgier, Frauenfeindlichkeit, Homophobie und Rassismus zeigen konnte; und dann holt ihn so ein blödes Kammerflimmern mal eben kurz in die Realität. Tut mir leid. Also für Herrn Eriksen tut es mir leid. Sonst nicht so.
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Auch wenn sich die Lage gerade entspannt, können wir weiterhin lernen, was wir durch das Virus in letzter Zeit schon gelernt haben: Ein bisschen mehr nach dem anderen zu schauen; ein bisschen mehr sich einzufühlen in den Mitmenschen. Und beispielsweise ausgeliehen E-Roller so abzustellen, dass kein blinder Mensch darüber fällt. Das können wir doch lernen, bevor es noch mehr Verletzte gibt; oder gar einen Toten. Die „Fussballwelt“ hat ja auch mal etwas gelernt, ohne dass einen Toten gab. Gott sei Dank.
Fabian Lau ist Musiker, freier Autor und Krankenpfleger. Er lebt in Malchen, wo jedermann überall kostenlos parken kann. Noch.
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