DIE CORONA-CHRONIKEN #16

Einer gegen Palaver; er schweigt, bis er was zu sagen hat: Fabian Lau.

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Die Spaltungen sind klarer, sichtbarer geworden seit Beginn der Pandemie; der Spalt, wo er entsteht, ist deutlicher jetzt, scharfkantiger, er verläuft mitten durch die Familie, belastet Freundschaften, die du für eingespielt hieltest. Und er wirkt schwieriger überwindbar, als wir es bislang kannten. Früher hatte dein Bruder vielleicht etwas weiter links gewählt als du selbst, deine Eltern hielten an Werten fest, die du schon nicht mehr korrekt buchstabieren konntest, und wenn es dich ganz hart traf, mochte deine Freundin Peter Maffay. Jetzt beansprucht das Virus gleich eine ganze Weltanschauung für sich und seine Betrachtung, es verlangt grundlegende Bekenntnisse, was für dich genau „Vertrauen“ heisst etwa; oder was genau du meinst, wenn du von Toleranz sprichst, oder was genau du inzwischen drauf hast, um Informationen zu beschaffen, nein, nicht nur Inzidenzen, nicht nur Studien zu Impfstoffqualitäten, sondern auch ganz Grundsätzliches: Ist Christian Drosten überhaupt und wirklich ein menschliches Wesen?  Die Spaltung macht sich selbst zum Thema, das wiederum spaltet. Ach, aber nein: Nicht das Virus spaltet uns, sondern wir.

 

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Die Krankenpflege wird genauer betrachtet seitdem; sie wird dargestellt wahlweise als „schönster Job der Welt“ oder als eine Art naiv selbst gewählte Lebensstrafe, die man als Pflegekraft abzuarbeiten hat: dauerhaft überfordert, verkannt dabei und unterbezahlt. Die Wahrheit liegt nicht irgendwo dazwischen, wie der gern salbadert, der abschweifen will. Es liegt an dir; wo du stehst und wo du hinwillst. Wir haben einen Platz für jede und jeden: Für den eitlen Einzelkämpfer und die großherzige Einzelkämpferin; auch für den Zauderer. Für den flexiblen Teamgeist am liebsten; und egal, auch für die, die gerne Tee kocht, und die, die lieber Ärztin wäre: Komm´ rein, es ist Platz für alle, hier hast du erstmal einen Kaffee; sind deine Hände desinfiziert? Wir sind keine Helden, aber es fühlt sich so an. Dem Taxifahrer applaudierst du auch nicht, wenn er dich absetzt wie gewünscht; er kriegt auch kein Denkmal. Aber drei Stunden lang im Minutentakt die richtigen Entscheidungen, flott und sauber umgesetzt und ein Leben damit erhalten, oder im richtigen Moment drei Minuten Zeit genommen für ein paar gute Worte, einen Blick, eine Hand, und Angst und Trauer damit ein wenig genommen: Es fühlt sich gut an; gute Arbeit.

 

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Ganz kurz zwischendurch; kaum schreibe ich von ihm, taucht er wieder auf: In der Zeitung über eine ganze Seite Interview mit Peter Maffay; sein Porträt prangt raumfordernd in der Mitte, ein bisschen habe ich mich erschrocken beim Umblättern. Ich staune: „Ich mache Musik, seit ich denken kann“, informiert er uns. Also doch noch gar nicht so lange.

 

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Die Pandemie verlangt, dass wir alle, die wir schon lange online waren, doch noch ein bisschen onliner werden. Und herrlich: Wie einfach es damit ist, cool zu sein in dieser Zeit. Vor vierzig Jahren musste ich kaputte Jeans tragen dazu, und rauchen, bis meine Lunge pfiff. Heute buche ich mir per smartphone einen Termin bei Fielmann und erhalte die Bestätigung prompt auf meine Armbanduhr. Alles nebenbei, auf dem Weg zur Arbeit. Ja, geht es denn noch cooler? Ich fühle mich sowas von angekommen im dritten Jahrtausend; meine Kinder nicken anerkennend. Die Süffisanz um ihr Lächeln herum übersehe ich natürlich geflissentlich.

 

Fabian Lau ist Krankenpfleger, Musiker und freier Autor. Er lebt im auch nicht ganz schwurblerfreien Malchen.

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