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Irgendetwas liebt dieses Virus, irgendwas, von dem wir noch keine Ahnung haben. Vielleicht werden wir das erst in hundert Jahren herausfinden, vielleicht niemals: Wen schont dieses kleine Mistding bevorzugt, und welche attackiert es besonders gerne? Vielleicht ist es eine von unseren DNA-Schleifen, die dritte von links etwa oder eine von denen weiter hinten, die, bei dem einen besonders elegant gedreht, beim anderen nachlässiger, darüber entscheidet, wie entschlossen sich das Sars-Cov aufführt und seine ganzen Verwandten. Vielleicht schont es die, die niemals einen Laubbläser anfassen würden, das riecht es, das weiss es; und jagt aber die, die zur Teestunde die Sahne zuerst in die Tasse geben. Irgend so etwas muss es sein, ich fürchte, wir werden es nie gänzlich ergründen. Halten wir uns also daran fest, dass wir doch ganz sicher und schon lange wissen, was das Virus richtig verabscheut und tiefestens hasst: Die Impfung.
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Da hast du dein kleines bockiges Kind endlich dazu bewegen können, sich die Zähne zu putzen, und dann ist die Zahnpasta alle. Wir sind gerade unorganisierter als frisch überforderte Väter.
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Obacht in diesem Jahr bitte, lieber Herr Professor Wieler, mit dramatischen Bilder; dass es nicht mehr fünf vor zwölf, sondern zehn nach zwölf und dann gar schon halb eins ist, könnte missverstanden werden. Vor allem von Politikerinnen und ihren Kollegen, die sich so gut im Aussitzen verstehen: Dass sie nur lang genug und stille abwarten müssen, bis es dann wieder erst kurz nach elf ist und wir also noch alle Zeit der Welt haben – bis es dann erneut fünf vor zwölf ist.
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Auch die nimmermüden Mahner übertreffen sich gegenseitig in drastischen Bildern: Rasende Züge, führerlos und mit defekten Bremsen, lassen sie vor unseren Augen auftauchen. Und wieder enttäuschen mich die „Querdenker“; da halten sie nicht mit, da mangelt es wieder an Phantasie, mangels Hirn vielleicht. Wollen sie nicht auch mal mit einem dramatischen Bild auffahren? Wie wäre es damit: Ein Ozeandampfer, ohne Kapitän, ohne Lotse, der volle Kraft voraus auf den Rand der Erdscheibe zusteuert?
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Advantage Pflege; jedenfalls denjenigen gegenüber, die tatsächlich überzeugt sind, ihr Leben ganz und ganz sicher unter Kontrolle zu haben: Der ein oder andere Mathelehrer etwa, oder die Freunde des zusätzlichen Bremslichtes in der Heckscheibe; die sich allzu konsequent dem gemässigten Exzess verwehren und deshalb nie den lauwarmen Schauer des gelegentlichen Kontrollverlustes erleben durften. In der Krankenpflege erfährst du recht früh: Es gibt sie doch, diese eine Minute; es gibt diese eine falschen Zeit an diesem einen falschen Ort, und diese höhere Instanz – nenne sie Gott, nenne sie Schicksal – die für dich gegen dich entscheidet, dass deine gesamte goldige Lebensplanung hier und jetzt nun ein Ende findet und du dich umstellen musst. Jetzt. Und komplett.
Schönes Neues Jahr allerseits.
Fabian Lau ist Krankenpfleger, freier Autor und Musiker. Er lebt in Malchen, also auch ziemlich nah am Rand der Erdscheibe.
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