
32 Dass sich Donald Trump infiziert, war ja nur eine Frage der Zeit angesichts seines Bewegungsmusters. Rätselhaft bleibt, warum es seine Frau ebenso erwischte, hatte sie doch immer sehr auf den Mindestabstand geachtet; zumindest ihm gegenüber. Auch war zu erwarten, dass weltweit dann das große Medienspektakel beginnt: FLOTUS UND POTUS HAD GONE TO QUARANTINE. Zynismus ist nicht so schlecht wie sein Ruf; auch ich habe mir immer wieder Vorwürfe angehört. Aber er ist feiner zu dosieren, wirkt nahezu unabhängig vom Rezipienten und ist damit effektiver und eleganter einzusetzen als die plumpe Provokation. In der Krankenpflege jedoch gilt das Prinzip der Gleichheit des Menschen, und wenn der Schlauch erstmal im Hals steckt, geht es bei jedem nur noch um das Eine. Eine kleine, heimliche, leise Schadenfreude darf dennoch erlaubt sein; wie beim Dummen August, der mitten in der Manege über die eigenen Beine stolpert und mal gepflegt auf die Schnauze fällt; notabene: gepflegt. Aber nicht zu vergessen: Ihm wird applaudiert, wenn er wieder aufsteht. Nur wirkt er dann – im Unterschied zu Trump – geläutert, und ist hoffnungsvoll ein bisschen klüger geworden.
33 Ich bewundere die Jugend, wie gelassen sie hinnimmt: der verzögerter Studienbeginn durch die Digitalinssuffizienzen der Lehranstalten; abgesagte Festivals, geschlossene Clubs: wir Altvorderen haben es leicht zu verzichten; wir wären sowieso nicht reingekommen. Und trotzdem ist es auch immer wieder zum Verzweifeln: Eine sehr junge Freundin hatte sich angekündigt aus der Schweiz, ein erstes Wiedersehen nach dem Shutdown. Doch ich sitze dann ohne sie am reich gedeckten Abendtisch, als das Telefon klingelt, das gute alte Festnetz: Sie hatte mich nicht gefunden in der Fremde, ihr Smartphone sei im Eimer, und: „Jetzt bin ich bei meiner Tante in Frankfurt.“ – Verehr- teste, es gibt eine Freunde-Finde-App, die auch ohne Smartphone tut; und Du hast sie: meine Adresse. Dazu braucht man nur eine Art Google, das auch offline funktioniert; man nennt es: Leute fragen. Mit herzlichen Grüßen und weiterhin ungestillter Sehnsucht, Dein Fabian.
34 Einstimmiger Beschluss von meiner Frau und mir: Im Winter wird weitestgehend auf Restaurantbesuche verzichtet; die Hygienekonzepte unserer Stammlokale für den Innenbereich haben uns bislang nicht ganz überzeugt. Ich zögerte allerdings etwas bei der Stimmabgabe. Man muss dazu sagen: Meine Frau ist eine Geschäftsfrau, sie ist keine Hausfrau und sie kann nicht kochen. Also Wasser vielleicht, müsste aber wachsam am Herd bleiben dabei, sonst würde auch das anbrennen. Restaurant heisst deshalb für mich: Küchenfrei; und trotzdem nicht Döner oder TK-Pizza. Oder Angebranntes von gestern. Aber als alter Risiko-Groupie stimme ich letztlich doch zu: Möglichst keine Restaurants bis zum Frühjahr. Zumal mir meine Frau jegliche Unterstützung zusichert und schon am nächsten Abend motiviert in die Hände klatscht: „Los geht ́s! Wo ist gleich … wie heisst es noch?“ – „Was meinst Du, Schatz?“ – „Dieses Dingens … na, dieses Zimmer, wo man kocht?“ – „Wenn Du aus dem Bad kommst: links halten; nächste Möglichkeit wieder links und die erste Tür rechts rein: Man nennt es Küche.“ Ich lasse ihr etwas Zeit zur Orientierung auf unbekanntem Terrain. Sie verharrt lange vor dem Herd, wie im Cockpit eines Ufos aus einer sehr, sehr fernen Galaxie. Dann streicht ihre Hand scheu über Schneidebrett und Messerblock, vorbei an Schneebesen und Pfannenwendern bis hin zur Muskatreibe, und ich denke: Wenn ich jetzt nicht dazwischengehe, macht sie sich gleich die Füsse damit. Gottseidank bleiben wir beide unverletzt und mir gelingt es sie abzulenken: „Fast vergessen, Schatz: Die Steuerbescheide sind heute gekommen; sie müssten geprüft werden.“ Ich schiebe sie sanft auf den Flur, küsse zum Abschied ihren Nacken und gebe ihr einen leichten Schubs Richtung Arbeitszimmer: „Aber beeile Dich. Essen ist gleich fertig.“
Fabian Lau ist Krankenpfleger, freier Autor und Musiker. Und auch ein ganz passabler Hausmann. Er lebt in Malchen.
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