
Die Deutschen und der Spargel – Liebe in einer manchmal gestörten Beziehung
Die Deutschen lieben kein Gemüse so sehr, wie ihren Spargel. Und doch behandeln sie ihn oft schlecht: In Hollandaise ertränkt, mit Wiener Schnitzel und einem Glas Silvaner sind oft das Höchste der Gefühle der Gerichte mit Spargel in der Gastronomie oder am heimischen Herd. Dabei können die magischen weißen (und grünen und violetten) Stangen doch so viel mehr.
Jahr für Jahr verfallen die Deutschen von Anfang Mai bis zum Tag des Heiligen Johannes des Täufers am 24. Juni in eine kollektive Gemüse-Euphorie: Dann ist Spargelzeit, der Gemüseverbrauch steigt um ein Vielfaches, überall im Land schießen mobile Spargel-Verkaufsstände ähnlich wie die weißen Stangen aus der Erde und in den originären Anbauregionen wie bei uns in Südhessen pilgern Hunderttausende zu sogenannten „Spargel-Festivals“ in eigens dafür aufgestellten, riesigen Kirmeszelten. Mit Ausnahme des Grünkohls in einigen norddeutschen Regionen gibt es kein Lebensmittel, das noch so sehr mit seiner Reife- und Erntezeit verbunden wird wie der Spargel.
So sehr aber Spargel-Ver- und Einkauf aus Tradition und mit Liebe im ganzen Land zelebriert werden, so sehr wird das Lieblingsgemüse der Deutschen dann in der Küche oft zum Stiefkind. Dann wird er kleingeschnitten gegart, weil der vor zehn Jahren in der Euphorie gekaufte Ikea-Spargeltopf nicht mehr aufzufinden ist. Anschließend wird das Päckchen Instant-Hollandaise verrührt und das Gemüse darin ertränkt. Zu guter Letzt kommen noch drei Scheiben Formfleischschinken mit auf den Teller. Selbst in der Gastronomie ist „Spargel mit Hollandaise, Kartoffeln und Schnitzel Wiener Art“ oft das höchste der Gefühle.
Dabei können die magischen Stangen so viel mehr: Sie sind nicht nur für die Deutschen „Everybody’s Darling“, sondern auch für die unendliche Auswahl an Kombinationen auf dem Teller und begleitenden Weinen im Glas. Der grüne Spargel zum Beispiel, die bequemste Sorte, da sie nicht geschält werden muss, kann gebraten mit grünem Salat, frischen Erdbeeren und einem Apfelessig-Öl-Dressing gegrillte Gambas mit Knoblauch wunderbar begleiten. Mit einem Glas Rosésekt oder Champagner wird das Ganze zu einer Aromenexplosion.
Ein weitverbreitetes Vorurteil lautet auch, Spargel ginge nur mit Weißwein: Probieren Sie mal einen deftigen Spargelauflauf mit Südtiroler Speck, Sahne und Parmesan. Dazu einen kräftigen, dunklen Roten. Das Gericht ist übrigens fast so einfach zu kochen, wie das Aufwärmen von Tütchenhollandaise: Einfach die geschälten weißen Stangen mit dem Speck umwickeln, in eine Auflaufform, etwas Sahne dazu, frische Muskatnuss darüber hobeln. 20 Minuten bei 180 Grad in den Ofen. Dann den Käse hinzugeben und ein paar Butterflocken, damit das Gratin schön bräunt, die Grillfunktion beim Herd dazu und nochmal zehn Minuten. Fertig und lecker.
Und auch wenn es Weißwein sein soll, muss es nicht der geschmacksarme Silvaner mit dem quietschbunten Etikett und sinnfreien Namen wie „Asparagus – Der Spargelwein“ aus dem Supermarkt sein. (Hat je ein Winzer Wein aus Spargel gekeltert?) Spargel, grüne Soße, Knoblauchspinat und Kräuterkartoffeln aus dem Ofen. Dazu ein sehr aromatischer, gerne auch schon etwas reiferer Weißwein aus Gewürztraminer oder Sauvignon Blanc – und Sie werden nie mehr zum Hollandaise-Tütchen greifen.
Viele weitere ungewöhnliche Spargelkombinationen und begleitende Weine finden Sie auf meiner Webseite www.mioculina.com.
Von Michael Ortmanns
Michael Ortmanns, 43 Jahre alt, ist in der Spargelregion Niederrhein aufgewachsen und kam über die Spargelregionen Berlin und Bremen in die Spargelregion Südhessen.
Der ausgebildete Sommelier und Hobbykoch ist Gründer des Online-Weinhandels www.mioculina.com und präsentiert dort auch seine Lieblingsspargelrezepte nebst begleitenden Weinen.

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