„…Ein freches Gör, dem ich für eine Nacht gehör ́“

Fotos: Nadine Lang

Der Jahreswechsel steht im Zeichen des Schaumweins – wir stellen zwei tolle Sekte vor

Das Jahresende steht vor der Tür und eines ist auch im Ausnahmejahr 2020 sicher: Zu Weihnachten und Silvester knallen die Korken! Denn der Jahreswechsel ist nicht nur in Deutschland traditionell Schaumweinzeit. Dabei ist die Vormachtstellung der Champagne längst gebrochen: Mit Winterlings „Geliebtem Gretchen“ aus der Pfalz und dem „Brut Rosé“ der Freien Weinbauern Südtirols stellen wir zwei herausragende Sekte aus zwei ungewöhnlichen Rebsorten vor.

Es gibt wohl kein anlassbezogeneres Getränk als Sekt: Zu Hochzeiten, Weihnachten, Silvester knallen die Korken, werden die Flöten und Kelche gefüllt, in denen Schaum, Perlen und der jeweilige Grund zum Feiern die oft minderwertige Qualität des im schlimmsten Fall mit Orangensaft gestreckten Getränkes in den Hintergrund treten lassen. Schließlich kommt es aufs Anstoßen an, nicht aufs geschmackvolle Trinken. So fristet der Sekt in vielen Haushalten und leider auch Gaststätten ein ihm ganz und gar nicht angemessenes Dasein. Damit muss Schluss sein. Das Versekten, die Flaschengärung, die „méthode champenoise“ ist sorgfältig und gut gemacht nicht nur eine der aufwändigsten, sondern auch der vielfältigsten und spannendsten Arten, außergewöhnliche, meditative, interessante, leckere Weine zu bereiten.
Zwei der herausragendsten Schaumweine aus dem deutschsprachigen Raum passen perfekt unter Ihren Weihnachtsbaum, denn sie sind aufgrund ihrer außer- gewöhnlichen Rebsorten so etwas wie „Wintersekte“ – aromatisch eher warm und fruchtbetont, statt spritzig und überschäumend. Der erste – „2014 Geliebtes Gretchen – blanc de noirs brut“ vom Weingut Winterling in Niederkirchen in der Pfalz (23 Euro ab Hof, www.winterling-sekt.de, 0049-6326-980436) mit einem hohen Anteil „Pinot Meunier“, in Deutschland der direkten Übersetzung folgend oft „Müllerrebe“ oder etwas irreführend auch „Schwarzriesling“ genannt. Nach dem behutsamen Öffnen – Sektkorken sollte man entgegen der Redensart eben nicht knallen lassen, da ansonsten zu viel Kohlensäure entweicht – strömt mir ein beeriger, angenehmer, fast warmer Geruch entgegen. Ungewöhnlich, beinahe säurefrei, jedenfalls ohne die oft so penetranten Zitrusnoten, ganz und gar unsektlich. Die Überraschung setzt sich bei der Farbe fort: Altgold, wie der Schmuck meiner Großeltern, beinahe aristokratisch. Am Gaumen schmecke ich balsamisches, dunkel- und reifbeeriges. Die Perlen übertragen dazu eine frische, fruchtige, würzige Herbe.

Ist Pinot Meunier noch eine klassische Champagnerrebe, die nur selten reinsortig und noch seltener in Deutschland versektet wird, ist die zweite Flasche, die ich für Sie probiert habe, eine echte Rarität: „Brut Rosé“ von den freien Weinbauern Südtirols (29,24 Euro exklusiv bei www.mioculina.com, 0049-172-2049906) ist der einzige Schaumwein aus der sehr aromatischen Rotweintraube Lagrein. Er kommt fast orange ins Glas, besticht durch feine, schmal-taillierte Perlen und führt am Gaumen zu einer Aromenexplosion aus dunklen Waldfrüchten, feinen Hefenoten, Röstaromen und einem wunderbar trockenen, sehr langem Nachhall.

„Geliebtes Gretchen“ und „Brut Rosé“ sind tiefe, sehr burgundische, meditative Weine, die zu entdecken Freude bereitet und die Beide mit manchem Sektklischee brechen: Sie schmecken enorm gut im Winter, wecken eher die ruhigen, denn die übermütigen Stimmungen und laden dazu ein, sie trotz ihrer Kühle, langsam zu genießen und das letzte Glas sogar in Zimmertemperatur zu erschmecken. À propos Glas: Verwöhnen Sie sich nicht nur mit Sekt, sondern verwöhnen Sie auch das Getränk: Wie alle großen Weine, brauchen auch die Schäumenden Platz, um sich zu entfalten. Deshalb gehören sie auch nicht in Flöten, sondern in feine Weißweingläser wie das ZALTO Universalglas, das es auch bei www.mioculina.com gibt.

Von Michael Ortmanns

Michael Ortmanns, 43 Jahre alt, liebt Weine und Literatur und war dem „Geliebten Gretchen“ deshalb schon vor dem ersten Schluck verfallen. So ist die Überschrift auch ein Zitat aus einer Opernvertonung von Alexander Puschkin über Sekt und Bordeaux: „Der Sekt, den unsere Freunde tranken / war ausgereift und gut gekühlt / ein Segenstrunk, der jeden Kranken / so heilt, dass er sich glücklich fühlt. / Im Glase glitzert er so spritzig / so ausgelassen, schäumend hitzig / […] Ich hab ́ für ihn schon oft im Leben / den letzten Groschen ausgegeben.“ Alexander Puschkin: Eugen Onegin.

Foto: Jochen Müller

 

 

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