Entdeckungsreisen zu Geschichte und Traditionen

Lights on! Das Mathematikum in Gießen ist ein interessanter außerschulischer Lernort. Foto: Mathematikum Gießen

Inspirationen in spannenden Museen Teil 11

In Hessen gibt es etwa 400 Museen mit außergewöhnlichen Sammlungen und Präsentationen. Von den Schätzen der großen Landesmuseen ebenso wie Kostbarkeiten der hessischen Kulturgeschichte, die in den vielen Stadt- und Heimatmuseen des Landes bewahrt werden. Diese Rubrik soll zu Museumsbesuchen inspirieren um auf Entdeckungsreise zu gehen.

Mathematik zum Anfassen

Das Mathematikum in Gießen ist das erste mathematische Mitmachmuseum der Welt. Es wurde 2002 von Albrecht Beutelspacher gegründet und befindet sich im ehemaligen Hauptzollamt. Es verfolgt das Ziel, Mathematik der Allgemeinheit auf anschauliche Weise begreifbar zu machen – und es eignet sich ideal als Ausflugsziel für Familien.

Seine über 170 Exponate sind keine Sammlungsstücke im üblichen Sinne: Die Objekte eröffnen durch Ausprobieren oder Bestaunen Wege in mathematische Themen wie Geometrie, Kurven, Flächen oder Zufall (Stochastik). Vor allem kann durch die interaktiven Experimente die weitverbreitete Angst vor unlösbaren mathematischen Formeln spielerisch überwunden werden.

Besucherinnen und Besucher nähern sich der abstrakten Wissenschaft mit realen Erfahrungen: Sie legen Puzzles, bauen Brücken, stehen in einer Riesenseifenhaut, entdecken an sich selbst den goldenen Schnitt, schauen an der fünf Meter hohen Kugelbahn einem Kugelwettrennen zu oder berechnen im Laufen die Kreiszahl Pi. All dies gibt Möglichkeiten und Chancen an die Hand, einen neuen Zugang zur Mathematik zu finden.

Ergänzend zur ständigen Ausstellung werden regelmäßig museumspädagogische Programme, besondere Aktivitäten für Kinder und Erwachsene sowie Fortbildungen für Lehrkräfte angeboten. Mit weit über 100.000 Besuchern pro Jahr ist das Mathematikum in Gießen ein Publikumsmagnet mit überregionaler Anziehungskraft.

Um auch den Bedürfnissen der ganz jungen Besucher gerecht werden zu können, gibt es auch das »Mini-Mathematikum«. Hier können 4- bis 8-jährige Kinder die Grundthemen der Mathematik wie Zahlen, Formen und Muster auf vielfältige Weise erfahren. Für Schülerinnen und Schüler der Oberstufe wurde ein besonderes Besuchsformat entwickelt, bei dem sich die Schüler intensiv und arbeitsteilig mit einzelnen Exponaten auseinandersetzen.

Mathematikum
Liebigstraße 8, 5390 Gießen
www.mathematikum.de

 

Den Wandel der Psychiatrie erleben

Als der Psychiater Dr. Ludwig Franz Amelung am 1. Oktober 1821 seinen Dienst im hessischen Landeshospital für Alte, Unheilbare und Geisteskranke in Hofheim antrat, glich die Einrichtung mehr einem Gefängnis denn einer Krankenanstalt. Das zwischen den Ortschaften Goddelau und Crumstadt gelegene Philippshospital wurde im Jahr 1535 als Pflegeanstalt für mittellose Kranke von Landgraf Philipp von Hessen als „»Hohes Hospital Hofheim« gegründet. Im 19. Jahrhundert spezialisierte sich das Hospital auf die Pflege psychisch kranker Menschen, seit 1904 lautet der Name »Philippshospital«.

Geschichte wird insbesondere dann greifbar und begreifbar, wenn sie sich in Objekten und Bildern an authentischen Orten präsentiert. So befasst sich das Psychiatriemuseum in Riedstadt mit Ausstellung, Bibliothek und Archiv anschaulich mit der Hospital- und Krankenhausgeschichte seit dem frühen 16. Jahrhundert. Das heute im Haus 8 untergebrachte Museum wurde im Jahr 1975 gegründet. Es enthält Exponate sowohl zum Alltagsleben im Hospital als auch zur medizinischen Behandlung von Patienten in früheren Zeiten. Bis ins 20. Jahrhundert war das Hospital eine sich weitgehend selbst versorgende Einrichtung mit Landwirtschaft und handwerklichen Betrieben, in der die Patienten mitarbeiten mussten.

Wie sich die Einstellung zu psychisch kranken Menschen sowie die Behandlungsmethoden ihrer geistigen und seelischen Erkrankungen gewandelt haben, belegen zum Beispiel Zwangsstühle, ein hölzernes Laufrad sowie Darstellungen der Dauerbad- und Bettbehandlung. Eine massive hölzerne und eisenbeschlagene Tür stammt von einer der einst im Hospital vorhandenen 15 »Tobzellen«.

Im Museum befindet sich eine Abhandlung, die weit vor die Zeit Philipps des Großmütigen zurückreicht. Die Vor- und Frühgeschichte des Hospitals Hofheim, ehemals evangelische Pfarrei, wird erwähnt. Es sind noch die Krankengeschichten seit 1580, Bau- und Verwaltungsakten, Lagekarten und Pläne vorhanden.

Zu den ältesten Exponaten des Museums zählt eine Hospitaltruhe von 1620 mit ihrem komplizierten Schloss. Darin verwahrte der Hospitalmeister als Leiter des Hospitals bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts seine Bargeldbestände. Im angeschlossenen Archiv sind Hospitalordnungen und Rechnungsbücher, historische Baupläne, Monografien, Sammelbände und Zeitschriften zur Psychiatriegeschichte, Dokumente zu Therapiekonzepten sowie Personal- und Patientenakten. Darunter befindet sich auch die Krankenakte des Enthüllungsjournalisten Günter Wallraff, der sich 1967 als vermeintlicher Alkoholiker selbst einweisen ließ, um die Zustände in Psychiatrien aufzudecken, nach einer Woche aber aufgab, nicht zuletzt, weil er Angst hatte, nicht mehr herauszukommen.

Psychiatriemuseum Riedstadt
Haus 8, 64560 Riedstadt
Termine sind nach Vereinbarung möglich., Ansprechpartner: Peter Gomes

 

Elfenbein Schnitzkunst in neuem Licht

Das Deutsche Elfenbeinmuseum wurde 1966 in Erbach gegründet. Als 2015 die städtische Einrichtung in der Werner-Borchers-Halle für immer geschlossen werden sollte, übernahm das Land Hessen im Jahr 2006 die Sammlung und beschloss, diese im Schloss Erbach zu präsentieren, ergänzend zu den dort vorhandenen Gräflichen Sammlungen.

Sie wurden von Graf Franz I. zu Erbach-Erbach (1754–1823) begründet, der auch Initiator der Erbacher Elfenbeinschnitzerei war. Nach einer sechsjährigen Reise durch Europa richtete der Graf in seinem Schloss eine Musterwerkstatt für Elfenbeinschnitzerei ein, um mit Hilfe dieses Kunsthandwerks neue Erwerbsmöglichkeiten im Odenwald zu schaffen. Somit kehrt die Sammlung des Deutschen Elfenbeinmuseums an ihrem neuen Standort zu ihren einstigen Wurzeln zurück.

Das im November 2016 wiedereröffnete Museum befindet sich in den einstigen Neben- und Küchenräumen des Erbacher Schlosses. Die moderne Präsentation betont die Schönheit der ausgestellten Werke: Gleichsam schwebend treten die kunsthandwerklichen Exponate aus der umgebenden Dunkelheit hervor. Der chronologische Rundgang durch die Ausstellung veranschaulicht die Bedeutung und Entwicklung der Erbacher Elfenbeinschnitzkunst von den Anfängen bis in die Moderne. Im Jahr 1783 begann mit der Gründung der Drechslerzunft der Aufstieg Erbachs zu einem bedeutenden Zentrum der deutschen Elfenbeinverarbeitung, die bis heute ein identitätsstiftendes Moment für die Region darstellt.

Im Erdgeschoss des sogenannten Damenbaus des Schlosses befindet sich die Museumswerkstatt. Hier geben Elfenbeinschnitzerinnen Einblicke in ihre Handwerkskunst und erläutern verschiedene Materialien, auch solche, die dem Artenschutz gerecht werden.

Elfenbeinmuseum,
Marktplatz 7, 64711 Erbach im Odenwald
www.elfenbeinmuseum.de

 

Bis 30 Patienten lagen in einem Zimmer der Pflegeanstalt. Foto: Vitos Riedstadt gemeinnützige GmbH

 

Das umgestaltete Elfenbeinmuseum zeigt die Odenwälder Schnitzkunst in neuem Licht.

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