ES GEHT VORAN

Einer gegen Palaver; er schweigt, bis er was zu sagen hat: Fabian Lau.

Als urbanes Mobilitätsvorbild des dritten Jahrtausends hat sich jetzt ja wohl eindeutig das akkubetriebene Lastenfahrrad durchgesetzt. Insofern bleibt zu hoffen, dass, wer immer Herrn Oberbürgermeister Jochen Partsch im Amt beerben wird, die oder der zumindest in dieser Hinsicht auf dessen Linie bleibt. Wir brauchen noch viel mehr Radwege in der Stadt, wir brauchen noch mehr rechtsfreien Raum. Rollstuhlfahrer, Kinderwagen, rote Ampeln und solche Sachen müssen noch eleganter, noch zeiteffizienter umfahren werden können. Eine einzelne Fahrspur für Autos wird in Zukunft reichen müssen, auf den Hauptverkehrswegen vor allem, auf dem Cityring also, auf der Kasino- und der Rheinstrasse und vom Süden her auf dem Donnersbergring und der Heidelberger, wo auch ich gerne morgens mit meinem SUV im Stau stehe. Ich nutze dann die Dreiviertelstunde zwischen Comedy Hall und Huckebein, um ein bisschen nachzudenken. Wenn mich der junge Businessler locker rechts mit dem Rennrad überholt, freihändig natürlich, er braucht ja beide Hände fürs Handy, da kommt doch inzwischen Neid auf bei mir: Bis zu seinem Büro im Telekomviertel hat er schon die ersten dreissig Mails beantwortet. Da kann er sich dann erstmal spaßhalber ein bisschen mit der Sekretärin kabbeln, wo es den beste Chai latte gibt in der City; während ich noch am Alicehospital nach einem Parkplatz suche, der mir am Monatsende möglicherweise Teile meines Einkommens übrig lässt. Selbst Schuld, ich.
Wenn nun aber ich schon beginne umzudenken, und mit mir dann vielleicht noch viele andere umsatteln, also umfahrradsatteln, um mir auch mal ein mediokres Wortspiel zu erlauben, dann wird es richtig eng auf den Radwegen. Und wenn dann der 80-jährige Möchtegernmickjagger auch noch alles aufhält, weil er nicht kapiert, dass der Akku auf dem Gepäckträger geklemmt nichts bringt und er sein einhundert Jahre altes Herkules also mit reiner Muskelkraft betreibt: dann muss eben wieder auf die Bürgersteige ausgewichen werden. Die Kollisionsgefahr mit Fußgängerinnen sollte man nicht als Hindernis betrachten; die Kennzeichenpflicht für Fahrräder wird definitiv nicht eingeführt und insofern wird es de facto auch keine Fahrradfahrerflucht geben; anonym ist das neue erlaubt. Der anonyme Unfall spart außerdem Verwaltungsaufwand, Personal- und Energiekosten. Wir haben größere Probleme grad; wer hat noch Zeit und Nerven, sich um ein paar osteoporotische Schienbeinfrakturen zu kümmern? Und unsere Wissenschaftsstadt könnte sich als Vorreiterin auch noch einmal ganz neu positionieren: In zwei Jahren hätten wir zuverlässige Zahlen, ob es vom Fußgänger angenehmer empfunden wird, von einem Lastenrad oder von einem E-Scooter umgefahren zu werden. Wenn die E-Scooterer die Nerven verlieren, sollen die sich eben die letzte verblieben Fahrspur mit den ewig gestrigen Restautos teilen. Denen bleibt definitiv nichts anderes übrig, als sich tippi, toppi zu benehmen, so als Minderheit in der Stadt: Die Kennzeichenpflicht für sie bleibt bestehen selbstverständlich. Rosig wird das. Hauptsache ist doch, wir kommen voran.
Noch was in eigener Sache: Könnte mir jemand vielleicht ein veraltetes, aber funktionstüchtiges Lastenrad überlassen? Mit Akkubetrieb natürlich. Also falls ein Upgrade ansteht, das Auslaufmodell dann einfach mir überlassen, wegen Nachhaltigkeit und so? Ich gehe nämlich davon aus, dass mein Samariterherz auch im Ruhestand noch weiter schlägt, und möchte dann einen Shuttle-Service einrichten, zwischen Willy-Brandt-Platz und Mini-Café; für alle Rollifahrerinnen, die am Pali keinen Parkplatz mehr bekommen haben. Ehrenamtlich, versteht sich: Ich bin so mit Coronaprämien vollgedonnert worden, und man muss der Gesellschaft doch auch mal was zurückgeben.

 

Fabian Lau ist Musiker, Krankenpfleger und freier Autor. Er lebt in Malchen, ganz oben, mit Sechzig also ohne Akku gar nicht mehr zu schaffen.

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