Geteilte Welt ist halbe Welt

Einer gegen Palaver; er schweigt, bis er was zu sagen hat: Fabian Lau.

In Gedenken an Wolf Schneider, 1925 – 2022

Dass es kompliziert wird und komplizierter, war mir schon lange klar, Jahrzehnte schon. Noch Jüngere hatten mir am Weissen Turm einen Flyer in die Hand gedrückt, mal wieder; und dann war es jetzt mal einer, den ich nicht mehr verstand: Wurde da eine Party angekündigt oder eine neue Krankheit? Und wenn ja, wie käme ich an sie heran, an die Party oder andernfalls die Krankheit? Der andere schmerzliche Aha-Moment vor ein paar Jahren dann – es gibt offenbar einen, mindestens einen, der nicht gewillt ist, wenigstens in seinem kleinen Ressort die Dinge schlicht beizubehalten: Als ich am neuen Handy zuerst die wichtigste Funktion suchte für mich und feststellen musste, dass „Klingelton aus“ nun umbenannt war in „Stummmodus: Ein“. Beim Autokauf letztes Jahr war ich schon gewappnet, würde doch sicherlich am Startknopf stehen: „Motorstillstand beenden“; wurde dann aber angenehm enttäuscht.
Ich versuche ja, flexibel zu bleiben, schon seit aus Raider Twix wurde. Auch wenn mich immer wieder die Frage nicht ruhen lässt, die man oft auch an schrecklichen Tatorten auf einem kleinen Schild im Blumenmeer formuliert sieht: Warum? Zu Prä-Internetzeiten nur mit Aufwand zu beantworten, den ich es aber nicht für Wert hielt, und deshalb einfach bei Snickers blieb. Dann gibt es ja noch die, die eventuell wollen, aber nicht können.
In meiner Lieblingstageszeitung, die nur meine Lieblingstageszeitung ist, weil sie die einzige Tageszeitung hier ist, war von einer Wandersfrau berichtet, vorgestellt als „die meist gewanderte Frau“. Und wieder hielten mich doch diese Fragen den fast ganzen Tag im Bann: Warum wurde diese Frau gewandert; warum wanderte sie nicht selbst? Und wie oft müsste ich gewandert werden, um ihr zum Pendant der meist gewanderte Mann zu sein? Und was sollte ich beschreiben, wie es richtig heissen muss: Die am weitesten gewanderte Frau? Ach nein: „Die am öftesten wandernde Frau“ würde ich dem schlimmst geschriebenen Kollegen vorschlagen; mit dem Hinweis: Der gute, klare und strenge Wolf Schneider ist leider verstorben, ja;  seine Bücher aber sind noch erhältlich, und werden es hoffentlich noch lange sein. Und jetzt bemühen sich zwei Professoren der Hochschule, uns zu erklären, warum wir also ständig aneinandergeraten, durchaus ganz körperlich gemeint: Fussgänger gegen Autos, Strassenbahnen gegen Fussgänger und die Fahrräder gegen alle, und was man dagegen tun kann. „Sicherheit durch Unsicherheit“, formulieren sie geschickt, Quelle: DE vom 4. November: „ … wenn alle langsam unterwegs sind, aufeinander aufpassen … wie am Luisenplatz: Da weiss jeder, es kann was kommen, deshalb passen alle auf.“ Und erinnern anschaulich den Wickert-Walk am Place de la Concorde in Paris, 1995 war das, stimmt ja. Aber hatte ich das nicht schon mal gelesen irgendwo, gar nicht so lange her? Ah ja, genau: In meiner Kolumne hier, im Julei ´19: Stadtweit alle Schilder abbauen, schlug ich vor, Fahrbahnmarkierungen entfernen, Ampeln weg, und so muss jeder nach jedem schauen. Nur hatte ich dann verpasst, professoral noch das Schlagwort dazu zu liefern: „Shared Area“ wird das akademisch einprägsam betitelt. Und muss mich deshalb doch nochmal einmischen, nur ganz kurz, reine Wichtigtuerei, hauptsächlich nur, um meinem Trauma des verpassten Abis beizukommen: Es gibt bereits eine Shared Area, wo alles beieinander ist und alle zusammen kommen, groß und klein, dick und doof, klug, schwarz und weiss und rautig kariert; genannt: Die Welt.
A overwhelming big, wonderful and weird, breath taking, outrageous and complicated shared area: Unsere Welt.

Frohes Fest miteinander.

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