
Eine Medienschelte.
Ich wünsche Ihnen ein gutes Neues Jahr, es wird jetzt aber nicht einfacher, ein guter Mensch zu sein. Sollte es die Tage noch länger kalt und noch kälter sein, würden die Gasvorräte doch nicht ganz reichen, heisst es. Aber sollte man sich deshalb ab sofort für die Erderwärmung einsetzen? Und woran müsste ich mich dafür festkleben in dem Fall? Ans Fahrrad einer Klimaaktivistin vielleicht, damit die nicht zum Museum fahren kann? Oder gleich im REWE ans Regal mit dem Kartoffelbrei? Die Medien, durch die ich mich ja sonst gerne informieren lasse, geben nicht sehr viel her bei diesen Fragen, die mich gerade beschäftigen. Wenn ich meinen Kühlschrank nur zwei Grad wärmer schalte, so geben sie mir aber zu lesen, kann ich in einem Jahr bis zu 10 Euro Stromkosten sparen. 10 Euro Ersparnis, in nur einem Jahr. Aber wieviel wird in einem Jahr der Kartoffelbrei kosten? Würde ein van Gogh vielleicht dann sogar aufgewertet durch die Aktionen der Letzten Generation? Wenn ́s zu Hause zu kalt wird, weil ich Heizkosten sparen muss, so rät mir unsere Tageszeitung, bliebe noch die Möglichkeit, mich wärmer anzuziehen. Aber das wissen wir doch schon, seit Mama uns im Herbst Pullunder, Mütze und Schal zurecht gelegt hat für den Schulweg. Zynismus können sie also auch nicht richtig. Dafür muss dann der GALERIA-Prospekt herhalten, der mir den Kaschmirpulli für 199 Euro auf nur 149 runtergesetzt anbietet; was ja auch nur ein bisschen mehr ist als das Zehntel einer durchschnittlichen Altenpflegerinnenrente zum Beispiel. Aber die könnten ja auf die Kinder-Intensiv wechseln, da wird gut weiter geheizt und jede Hand wird gebraucht grad. Ich habe eine ganz andere Möglichkeit entdeckt, wenn mir zu Hause zu kalt ist: Ich fahre ein paar Runden mit dem Auto. Wenn ich da die Heizung hochdrehe, landet das wohl nicht in meinen Nebenkosten. Und wenn mir der Sprit ausgeht, ziehe ich einfach ins Hotel; da wird es niemanden kümmern, wie lange ich dusche und ob ich nicht besser den Waschlappen nehmen könnte. Oder ich bleibe rund um die Uhr in der Klinik auf meiner Station. Da gibt es immer heissen Kaffee, kostenlos sogar für mich. Und wenn ein Blackout droht, kann ich dort auch noch mal mein Handy aufladen an der Steckdose für das Beatmungsgerät. Womit auch, wenn flächendeckend meinem Beispiel gefolgt wird, der Pflegenotstand behoben wäre.
Mich juckt es einfach in den Fingern, pardon, bei den vielen versehentlichen Zynismen und Sotissen, mit denen uns zur Zeit Politiker und andere Amateure konfrontieren; da möchte der alte Satiriker gerne mal zeigen, wie es richtig geht. Auch wenn ich gerade meine Grenzen zu spüren bekomme. Ein Oberarzt sagt in die Kameras den Satz: „Kinder sterben, weil wir sie nicht mehr richtig versorgen können.“ Kinder sterben, sagt er. Weil wir sie nicht versorgen können, sagt er. Und wir reagieren, als hätte sich Thomas Gottschalk nur mal wieder vermoderiert. Es hatte mich wirklich zunächst ein bisschen beruhigt, einen Mann vom Fach als Gesundheitsminister zu wählen. Aber Prof. Dr. Lauterbach fällt gerade auch nur ein, die allgemein zu wenigen Pflegekräfte zur Unterstützung der noch viel wenigeren Pflegekräfte auf die Kinderintensivstationen zu schicken, den Notstand mit dem Notstand beheben zu wollen also. Und sieht dafür geflissentlich davon ab, dass ein Kind nicht einfach ein Erwachsener, nur ein paar Nummern kleiner ist. Die Intensivpflege der Kinder steht in einem komplett anderen Kapitel; eher würde ich meine Gitarren zum Auswuchten dem Möbelschreiner überlassen. So hoch wird man keinen Zuschlag berechnen können, dass meine Kolleginnen entspannt ins Kinderfach wechseln. Selbst wenn ich ihnen noch meine Kaschmirpullis dafür drauflege.
Die erste Kolumne – hier zur Abwechslung mal der korrekte Genitiv: dieses Jahres. So zynisch sollte sie eigentlich gar nicht ausfallen. Aber ich hatte es eingangs doch schon prophezeit: Es wird nicht einfacher, ein guter Mensch zu sein. Versuchen wir es trotzdem weiter. Also nochmal: Gutes Neues Jahr allerseits.
Fabian Lau ist Musiker, Krankenpfleger auf einer Intensivstation für Erwachsene und freier Autor für alle, vorausgesetzt, sie können lesen. Er lebt in einem zur Zeit noch einigermassen warmen Haus in Malchen.
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