Kraftwerk Block Beuys Hessisches – Landesmuseum Darmstadt

Foto: Barbara Klemm

Wie erklärt man moderne Kunst, noch dazu einem toten Hasen? Das ist unmöglich, wird jeder sagen. Nicht so Joseph Beuys, der 1965 in der Düsseldorfer Galerie Schmela eine bizarre Szene aufführte mit dem Titel „Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt“. Genau das tat der Künstler (1921 – 86), dessen Gesicht mit Honig beschmiert und mit Blattgold überzogen war. Beuys sprach nicht viel, er hielt den toten Hasen im Arm und tippte ab und an dessen Pfoten auf Kunstwerke der Ausstellung.

Konservative Kunstkenner verstanden die Welt nicht mehr, für progessiver Denkende jedoch stellte endlich jemand die Kunst auf den Kopf, arbeitete mit Fett, Filz, Honig und Metall – alles Materialien, die Energie enthalten, speichern oder leiten. Der Hase symbolisiert in der Kunst die Natur, Fruchtbarkeit und Auferstehung. Eines der bekanntesten Kunstwerke überhaupt ist das Aquarell eines Hasen von Albrecht Dürer aus dem Jahr 1502. Die Beuys-Aktion spielte also auf vielerlei an.
Einige Objekte daraus gingen in den „Block Beuys“ im Hessischen Landesmuseum Darmstadt ein, darunter ein Hocker mit filzumwickeltem Bein und eine eiserne Sohle mit Magnet. Beuys richtete die Räume mit den 290 Objekten im April 1970 selbst ein und fügte später Teile hinzu. Den „Block Beuys“ verstand der Künstler als Energiespeicher – für den Betrachter ist es ein kurioser Ritt durch Kunst, Wissenschaft und Spiritualität, dokumentiert an Objekten von 1949 bis 1972. Insgesamt erstreckt sich die Installation über sieben große und kleine Räume in der obersten Etage des Museums.

Es ist der größte Werkkomplex von Beuys, aber das Interesse ist heute klein. Wenn man durch die Räume schlendert, begegnet man nur selten einem Besucher. Künstler und Werk scheinen fast entrückt zu sein. Der Name von Beuys fällt nicht mehr oft oder nur noch im größeren Zusammenhang – kein Vergleich mit seiner Rolle, die er noch in den 60ern bis 80ern spielte. Freilich braucht gerade diese Kunst den Urheber, der seine Ideen gut erklären konnte – der Mann mit dem Hut hatte eine charismatische Ausstrahlung. Wer ihn noch erlebt hat, kann viel mit dem Darmstädter Labor anfangen. Jüngeren Generationen hingegen fällt das naturgemäß schwerer.

Das weltweit einzigartige Beuys-Ensemble wird nun zum 50. Jahrestag für drei Monate etwas aufgefrischt, das Denken und Wirken des Künstlers in den benachbarten Räumen erklärt anhand von Fotos, Dokumenten, Partituren und Plakaten. So wird deutlich, welche Rolle die Objekte bei den Aktionen spielten. Diese sehr sachliche Schau unter dem Titel „Kraftwerk Block Beuys“ steht im strikten Gegensatz zu Beuys’ utopisch-romantischen Ideen. Die Musealisierung des Künstlers schreitet also voran, aber ein Patentrezept dagegen hat bisher niemand gefunden. Auch die Filme mit Zeitgenossen können nicht über das Dilemma hinwegtäuschen, dass Beuys’ Kunst entscheidend von seinem Charisma abhing.

Ohnehin stand der „Block Beuys“ vor 50 Jahren im größeren Zusammenhang mit der Gegenwartskunst, da der Darmstädter Karl Ströher just seine Sammlung dem Museum als Dauerleihgabe überlassen hatte. Damals besaß der Wella-Chef auch viel Pop-Art, die aber nach seinem Tod 1977 von den Erben verkauft wurden; wichtige Werke sicherte sich Frankfurt für sein Museum für Moderne Kunst. Und den „Block Beuys“ musste das Land Hessen für viel Geld erwerben, war er doch ebenfalls von den Erben verkauft wurden. Seither ist das Ensemble zwar gesichert, aber Beuys’ visionäre Ideen von einer anderen Gesellschaft sind kaum noch geläufig.

Der „Filz-TV“ (1966/70) etwa spulte sein Programm ab, nur die Mattscheibe war mit Filz verhüllt. Doch Beuys legte eine Hand an den Fernseher, die andere an Fettklumpen, um das Programm mit Energie aufzuladen. Auch Zeitungsstapel waren für ihn eine „kompakte Idee von Batterien“. Ohnehin ist der zweite Raum ein wahres Kraftwerk. Neben Zeitungen finden sich zwei mit Kupfer überzogene Tische, darunter physikalische Apparate, Batterien und ein „Erdtelefon“ mit Lehmklumpen. Die elektroakustische Wandlung des Telefons faszinierte Beuys, der Apparat galt ihm als Bild für den Informationsaustausch.

Aber das wichtigste Material war für ihn das Fett. In der Aktion „Hauptstrom“ (1967) setzte er es erstmals groß ein über zehn Stunden mit zehn Handlungen, die variiert wurden. Anhand des leicht formbaren Fettes führte Joseph Beuys die Funktionen der fünf menschlichen Sinne vor, ergänzt um die Tätigkeiten des Stehens, Sitzens und Laufens. Der Fettgeruch und die damalige Geräuschkulisse – beides laut Augenzeugen eine Zumutung – sind heute zwar nicht mehr einzufangen, aber Beuys’ sinnlich-körperlicher Umgang mit Fett ist zu erahnen. Das ist schon viel in unserer digitalen Welt.
Christian Huther

Joseph Beuys 1970 im Hessischen Landesmuseum Darmstadt
Informationen über Öffnung des Museums während der Coronakrise gibt es auf der Homepage www.hlmd.de
Friedensplatz 1
Tel.: 06151 16 57 000

 

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