MIT FABIAN LAU AUF EINEM FOTO

ZÜRICH

In Zürich siehst du die elegantesten Frauen Europas; und fast alle sind sie alleine, denn ihre Männer finden keinen Parkplatz. In Zürich solltest du versuchen, sehr schnell sehr viel Geld zu verdienen. Wenn du sehr viel Geld hast, kannst du dir einen Parkplatz in der Stadt kaufen. Ist dann noch ein bisschen übrig, kannst du dir ein Haus daneben bauen; und dort kann deine Frau dann auf dich warten, abends, wenn du müde von der Arbeit kommst. Ich musste in Zürich für meine Konzerte immer sehr hohe Gagen verlangen, um mir für die Tage einen Stellplatz für mein Auto leisten zu können; der Bühnensakko und die Gitarren sollten es warm haben und in Sicherheit sein. Bald konnte ich die Gagenforderungen auch noch steigern und mir damit ein Zimmer in der Nähe des Autos leisten. Inzwischen habe ich zwei Freunde in Zürich; einer hat einen Parkplatz, der andere eine Tiefgarage. Beide haben sehr elegante Frauen und ich bin immer ein willkommener Gast. Jetzt konnte ich die Gagen etwas reduzieren, ich brauche auch kein Hotel mehr. Wenn ich nach dem Konzert mit meinen Freunden am Kamin sitze, ihren Wein trinke, während ihre Frauen noch ein paar amuse bouches servieren vor dem Zubettgehen, denke ich gerne darüber nach, was den besonderen Wert dieser Freundschaften ausmacht. Falschparken rechnet sich auf Dauer nämlich auch nicht in Zürich. Die Strafen sind drakonisch; mit zwei-, dreimal Falschparken hättest du vielleicht schon ein bisschen von deinem Parkplatzes finanziert, wer weiss? Aber bald schon werde ich mich revanchieren können bei meinen Freunden in Zürich, für all diese Privilegien, wenn ich dort gastiere: Ich habe Freunde auf der Mathildenhöhe. Wir werden dort kostenlos parken können, wenn ich den Schweizern unser Weltkulturerbe zeigen will.

Wohnen Sie vielleicht am Woog? Haben Sie eventuell ein Häuschen in der Heinrich-Fuhr-, oder in der Schlosserstrasse? Mit einem Vorgarten, den man gegebenenfalls zubetonieren könnte? Dann fände ich Sie interessant. Wir sollten uns kennenlernen, vielleicht wird ja eine Freundschaft daraus. Und im Gegenzug könnte ich Ihnen interessante Parkplätze empfehlen, falls Sie in nächster Zeit mal nach Zürich reisen wollen, ob im Freien oder in einer Tiefgarage.

Das hätte ich meinen Kindern vermitteln sollen neben den grundsätzlichen Gepflogenheiten  in unserer Familie wie Körperpflege, Ordnung, Pünktlichkeit und Manieren bei Tisch: Du brauchst nicht wirklich Freunde im Leben, du brauchst Parkplätze. Jetzt ist es zu spät; sie sind erwachsen. Aber sie kommen auch so zurecht. Sie haben keine Autos und Freunde in Bern.

 

 

Fabian Lau ist Krankenpfleger, freier Autor und Musiker. Er war zwanzig Jahre lang als Chansonier und Satiriker auf deutschsprachigen Bühnen unterwegs. Und jetzt kommt es in seinen Fotoalben immer wieder mal zu einem Wiedersehen mit interessante Leuten und Orten.

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