
Hanns Dieter Hüsch
Meine Skepsis dem Kabarett gegenüber hielt an, nahm eher noch zu, je tiefer ich mich selbst in dieses Metier begab. Aber ebenso hielt meine Liebe an zu Hanns Dieter Hüsch, dessen Texte ich Jahre vorher, zu Schulzeiten schon, über meinen Schreibtisch gepinnt hatte. Der Deutsche Kleinkunstpreis schien mir als Newcomer damals vor allem attraktiv, weil beim Galaabend die Chance bestand, von Hüsch auf die Wange geküsst zu werden, wenn er einem die berühmte Glocke überreichte nämlich. Aber die Einladung nach Mainz ließ auf sich warten; bis heute übrigens. Dafür kam bald die Einladung nach Köln, vom WDR ins Funkhaus am Wallrafplatz. Und entsprechend verhielt es sich in mir wie in einem jungen Liebhaber vor dem ersten Rendezvous, da auf dem Ablaufplan vermerkt war oben links: Moderation HDH. Branchenintern wurde so abgekürzt, HDH, als müsste man Zeit sparen. Dabei gab es keinen Grund zur Eile, nicht bei Hüsch. Für seine Sendungen wurde alles mit Bedacht erledigt: Die Mikrofonproben, die Einrichtung des Lichts, die Ablaufbesprechung mit dem etwas aufgeregten, jungen Chansonier, der erstmals zu Gast war; auch in seinen Texten eilte Hanns Dieter Hüsch niemals von Pointe zu Pointe, entwickelte schon Tempo, konnte wortgewaltig durch die Geschichten rasen, ließ ihnen dabei aber alle nötige Zeit. Auch den Figuren ließ er Platz und alle Möglichkeiten. Schlicht und einfach durften sie sein, dann wieder weltenklug und mutterwitzig, aber nie verlangte er von sich und anderen, dass es immer lustig zugeht. Wie das Leben eben auch nicht stündlich und täglich etwas zum Lachen bietet, und nicht jedermann immer schlau daher kommt; wie auch nicht immer alles schwarz ist oder weiß, nicht links oder rechts, so sprach Hüsch auch nicht von links oder rechts oder von oben herab, sondern immer aus der Mitte, „als hätte er bei uns im Schrank gesessen“, wie ein anderer Verehrer es einmal formulierte. Timing und Dramaturgie. Nicht nur auf der Bühne. Auch beim Aprés-Show-Wein in den Kantinen und Restaurants, wenn wir uns nach der Arbeit von unseren Kindern erzählten, von unseren Frauen und Freunden, konnte ich von ihm abschauen: Alles hat seine Zeit. Auch im Leben sonst braucht es vor allem diese zwei: Timing und Dramaturgie.
Eines habe ich aber nicht gelernt von ihm, leider: „Ich gehe auf die Bühne wie zu Hause ins Wohnzimmer“, hat er zu mir gesagt, dem etwas aufgeregten, jungen Chansonier, der erstmals zu Gast war, als die Mikrofone und Spots aufgezogen wurden, und ich ihm durch den Seitenvorhang folgte, in den Begrüssungsapplaus des Publikums hinein. Und der Deutschen Kleinkunstpreis blieb mir auch vorenthalten, bis heute. Aber Hüsch hat mich geküsst. Nach dieser ersten Sendung hat er mich geküsst. Und dann noch jedes Mal, bei jedem Wiedersehen und bei jedem Abschied.
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