
Kunst in der Krisenzeit
Ein Museumsbesuch kann sehr anstrengend sein. Vor wenigen Wochen etwa die Ausstellung „Finding van Gogh“ im Frankfurter Städel. Beim ersten Besichtigungsversuch, Ende Januar, war die Schlange am Einlass sehr lang, es war stürmisch und hat geregnet. Abbruch, es ging direkt nach Sachsenhausen in eine schöne Ebbelwoikneipe.
Beim zweiten Versuch war die Schlange noch länger, führte bis um die Ecke in eine Seitenstraße hinein. Aber wunderbares Wetter, Sonnenschein, nette Menschen ringsum. Die Wartezeit von knapp zwei Stunden verging schnell. Im Museum war es sehr voll, vorbei an Hinterköpfen und hochgereckten Smartphones waren die Werke des Meisters zu erkennen. Hinsetzen und ausruhen schwierig, die Sitzmöglichkeiten waren meist belegt. Am Ohr ein Gerät, mit dem man hörte, was man sah, ging es in Tippelschritten durch die Ausstellung. Nach drei Stunden, völlig erschöpft aber voll nachhaltiger Eindrücke, Ausklang des Abends in oben erwähnter Ebbelwoikneipe.
Vieles davon ist inzwischen undenkbar. Mit notwendigem Sicherheitsabstand reichte die Schlange heute bestimmt bis nach Offenbach, Gedränge im Museum, am Ohr ein undesinfiziertes Abspielgerät. Unmöglich.
Trotzdem muss man auf einen Museumsbesuch nicht verzichten. Im Umkreis gibt es viele Möglichkeiten, Kunst auf PC, Tablet oder Smartphone zu genießen.
Das Museum für Kommunikation Frankfurt etwa zeigt auf seiner Homepage 15 Ausstellungen und ein virtueller Rundgang ist möglich. Online gibt es sogar mehr zu sehen als real: „Nur ein Bruchteil der vielen hunderttausend Objekte der Museumsstiftung Post und Telekommunikation findet Platz in den Ausstellungsräumen.“
In Mannheim hat das Reiss-Engelhorn-Museen, kurz REM, geschlossen. Im Netz auf www.rem-mannheim.de anschauen kann man hier etwa die Ausstellung „Ägypten, Land der Unsterblichkeit“. Speziell Eltern mit Kindern werden angesprochen.
Die Rüsselsheimer Opelvillen vermelden, dass die Ausstellung „Liebesgrüße aus Havanna“ mit zeitgenössischer Kunst aus Kuba online und kostenfrei zugänglich ist. Zu finden auf www.opelvillen.de.
Die Schirn in Frankfurt verweist auf mehrere Kanäle, über die man für Besucher erreichbar ist. Folgen kann man dem Museum auf allen gängigen Social-Media Angeboten, auf einem eigenen YouTube Kanal gibt es über die aktuellen Ausstellungen hinaus Erklärvideos zu verschiedenen Themen, zu finden auf www.schirn.de.
Auch das Städel hat ein breites Onlineangebot. Wer van Gogh verpasst hat kann sich auf www.staedelmuseum.de einen informativen Podcast zum Thema anhören. Digitorials nennt man hier Beiträge, die den Besucher auf eine Ausstellung vorbereiten, auch schon vor der temporären Schließung gab es dieses Angebot. Für Kinder ab acht Jahren gedacht ist ein Tablet-Game, das mit auf eine Entdeckungsreise in das Museum nimmt.
Fazit: Alles nicht so schlimm, Kunst genießen geht auch von zu Hause aus. Es ist sogar mit weniger Aufwand verbunden, keine teure Anreise per S-Bahn oder schadstoffbehaftet mit dem Auto.
Wirklich alles nicht so schlimm? Doch, es ist schlimm. Kein Druck, keine Bildschirmdarstellung, kein Podcast kann das Erlebnis ersetzten, vor van Goghs leuchtenden „Pappeln in Saint-Remy“ zu stehen und die Farben zu erleben. Das zufällige Gespräch mit anderen Besuchern. Die Atmosphäre in den Ausstellungsräumen. All das fehlt, es ist mit virtuellem Methadon zu lindern, aber nicht zu ersetzen.
Diese Krise gilt es besonnen zu überstehen, die Vorfreude auf die Zeit danach ist schon jetzt riesengroß. Natürlich auch auf den Besuch der Ebbelwoikneipe.
Arthur Schönbein
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