
Wir brauchen gute Worte, eine klare Sprache, und jetzt vor allem, um auszuhalten, in diesen Zeiten, wie wir diese Zeiten etwas hilflos nennen. Die Redenschreiber der Politik sind gefragt: Offen hörbar derzeit die einzigen Fachkreise, in denen es nicht an Kräften mangelt. Fast wirkt es so, als formulierten nur Einzelne noch selber, hin und wieder.
Robert Habeck etwa, bei dem es nicht immer glatt heraus kommt, der auch mal haspelt, und dem man abends dann tatsächlich auch die Lippenschwere anhören kann. Olaf Scholz auch; nicht immer vom Blatt redet er, braucht immer zwei, drei Tage nach ein paar freien Sätzen, solange hört man nichts, Abgelesenes bestenfalls, genau die Zeit wohl, bis die nächsten paar Sätze vorformuliert sind, und wie frei heraus kommen können, wenn es denn sein muss. Der Diplomat des Dilemmas: Frieden schaffen; nur mit welchen Waffen? Horst Seehofer hatte es vor Jahren schon bestätigt: Der Pöbel muss nicht alles verstehen. Dem Sinn nach so, nur verständlicher formuliert, leider.
Wäre ich jetzt gerne tätig in Berlin, als Profi-Euphemist? Dafür liebe ich sie dann wohl doch zu sehr: Die gute alte Dame Deutsch. Meine Ehe mit ihr, jetzt fast schon sechzig Jahre lang; oder sollte ich den Begriff verwenden, der mich sonst stutzen lässt, wenn es um die Menschenliebe geht nämlich und dem anrührenden Versuch, eine Beständigkeit zu bezeichnen: Meine Partnerschaft mit ihr? Wir haben uns gegeben und genommen, die deutsche Sprache und ich. Schöne Stunden, schwere Zeiten. Sie hat mich Nerven gekostet und mir so auch gutes Geld eingebracht; schlaflose Nächte hat sie mir bereitet, durch kampfrethorische Dispute bis ins Morgengrauen oder durch eine inspirierte, milde Verzweiflung über einem Text gebeugt. Missbraucht habe ich sie auch zuweilen. Manipulation, Großmäuligkeit sind dann die einzigen Asse im Ärmel, die man ausspielen kann, dem eigenen Vorteil bedacht und nur dem Vorankommen. Sprache ist Macht, und alle Macht wird auch missbraucht.
Mein vorschulisches Trainingsfeld war ein Vater, der wahlweise keine Zeit hatte oder auch kein Interesse an den Belangen eines Untersiebenjährigen und deshalb höflich, aber dringlich, redundanzfreie Kürze verlangte; eine Frau an seiner Seite, mutterklug, gebildet und himmelschön, die ich mit Charme und Witz, und vor allem mit dem rechten Kompliment zur rechten Zeit, zu fast allem bewegen konnte. Und drumherum noch ein paar ältere Geschwister: Schneller, lauter im Konter, mit doppeltem Wortschatz geschätzt, und mir damit immer voraus, während bei mir, bemüht das Subjekt im Sinn zu halten, das Verb noch in weiter Ferne lag. So habe ich gelernt: Ob du dir die nächste Taschengelderhöhung oder eine satte Schelle stattdessen einfährst: Es liegt an dir und deiner Rede. Also rede gut; formuliere wohl und schreibe auch genau. Und täte ich nicht genau das Gegenteil als Euphemist vom Dienst? Wer hat Wladimir Putin beraten? Und liefert der ihm nun die Begriffe für das, wohin diese militärische Sonderaktion ausgeartet ist? Für die gefesselten Leichname von Butcha etwa? Doch die Bilder der freiheitsbeschränkten Postexistenzen würden nicht erträglicher dadurch, wir hielten sie trotzdem nicht aus. Also schreibe ich weiter, wie gewohnt und nicht drumherum. Ich rede frei und gereimt, und manchmal singe ich und sehr oft schweige ich.
Und ich bin gerne, was ich bin, auch als Krankenpfleger: Sprache ist Macht. Auch Wörter können heilen.
Fabian Lau ist Krankenpfleger, freier Autor und Musiker; je nachdem, was gerade gebraucht wird. Er lebt in Malchen.
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